VOLKSWAGEN-TARIFRUNDE FÄHRT PARALLEL ZUR METALL- UND ELEKTROINDUSTRIE

Forderungsdebatte nähert sich Ziellinie

11.06.2024 | Selten gab es schon so früh in einer Tarifrunde so viel Unruhe wie 2024: Das Performance-Programm bei Volkswagen hat bereits seine Schatten vorausgeworfen, und viele Beschäftigte fiebern daher dem Verhandlungsstart im Herbst entgegen. Die Tarifrunde zum Haustarif von Volkswagen findet weitestgehend parallel zu den Verhandlungen der Metall- und Elektroindustrie statt.

Thorsten Gröger, Bezirksleiter

Daher lohnt sich zunächst ein Blick auf das große Ganze: Denn die Lage ist differenzierter, als es die Arbeitgeberverbände darstellen. Tatsache ist, dass Volkswirte bereits für das kommende Jahr eine deutliche Erholung der Konjunktur erwarten und die Betriebe trotz verhaltener Auftragslage gute Renditen erwirtschaften.

Es gibt weitere gute Nachrichten: Die Inflation in Deutschland normalisiert sich nach den historischen Hochs der letzten Jahre wieder. Die Verbraucherpreise verharren zwar nach wie vor auf einem hohen Stand, haben sich aber weitgehend stabilisiert. Die Preissteigerungen belasten weiterhin die Geldbeutel der Beschäftigten, weswegen der private Konsum aktuell schwächelt. Dabei muss dieser zum Konjunkturmotor werden statt weiter als Wachstumsbremse zu verharren. „Die Institute sehen für das kommende Jahr eine Trendwende. Nachdem die Wirtschaft eine kurze Verschnaufpause eingelegt hat, geht’s 2025 mit Schwung wieder nach vorne. In den Prognosen hat die Wissenschaft aber auch die starke Rolle des privaten Konsums eingepreist. Dieser wird wichtigster Stabilitäts- und Wachstumstreiber werden. Voraussetzung dafür ist aber, und das ist eine Annahme der Institute in der Frühjahrsdiagnose, dass es in diesem Jahr zu spürbaren Entgelterhöhungen kommen wird, denn nur dann steigen die Realeinkommen und damit der private Konsum!“, führt IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger aus.

Deswegen wird es 2024 in der Metall- und Elektroindustrie zentral um eine Entgeltforderung gehen. Der Tarifabschluss 2022 hat gezeigt, dass an dem Arbeitgeber-Märchen der „Lohn-Preis-Spirale“ nichts dran ist und gute Tarifpolitik in Krisenzeiten ein wichtiger Baustein für wirtschaftliche Sicherheit ist. Maßnahmen wie die Inflationsausgleichsprämien können immer nur eine kurzfristige Lösung sein, um der Not der Beschäftigten schnell und pragmatisch zu begegnen. Deshalb muss diese Tarifrunde die Entgelte in den Fokus rücken und eine nachhaltige Stärkung des Entgeltniveaus anstreben. „Wer den Konsum und damit verbunden die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher anregen will, muss die Geldbeutel besser ausstatten. Das gilt für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie, genauso wie bei Volkswagen. Aus Sicht der Arbeitgeber gab es noch nie etwas zu verteilen – egal ob die Wirtschaftslage exzellent oder herausfordernd war“, so Gröger weiter.

Nachdem das Volkswagen-Konzernergebnis nach Steuern 2022 noch bei 15,8 Milliarden Euro gelegen hatte, konnte es 2023 auf 17,9 Milliarden Euro gesteigert werden – ein sattes Plus von 13 Prozent. Der Umsatz kletterte auf 322,3 Milliarden Euro. Dies erfreut die Investoren am Kapitalmarkt, die sich über saftige Milliarden Euro Dividende freuen durften. Doch dem Konzern reicht das mit Verweis auf die hohen Investitionen nicht: Mittels zahlreicher Performance-Programme soll die Rendite, insbesondere der Kernmarke Volkswagen, weiter gesteigert werden. In den Verhandlungen zum Verbesserungsprogramm bei VW wurden viele Maßnahmen ergriffen, und ein erster Versuch für Angriffe auf den Haustarifvertrag konnte bereits abgewehrt werden. „Aber wo bleiben in der Rechnung die Kolleginnen und Kollegen, denen zweifelsohne die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit Volkswagens am meisten am Herzen liegt? Sie sind es doch, die täglich mit Leidenschaft an die Arbeit gehen. Sie waren es, die über viele Jahrzehnte dem Konzern und der Kernmarke zu guten Ergebnissen verholfen haben. Statt sich auf Reklamebotschaften für den Kapitalmarkt zu versteifen, wäre Gegensteuern bei hausgemachten Problemen dringend notwendig: Klar ist es gut, dass nun Einstiegsmodelle bei der E-Mobilität in Planung sind. Aber Software, Plattform und Produkte kommen insgesamt viel zu spät. Das sind Managementfehler, die nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden dürfen.“, so der Verhandlungsführer der IG Metall bei VW.

Daniela Cavallo, Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, erklärt: „Ich rechne mit einer harten Haustarifrunde, in der wir unter großen Abwehrdruck geraten. Ein Vorgeschmack dafür waren die vergangenen Monate mit den ersten Verhandlungen für das laufende Effizienzprogramm bei VW. Dabei hatte die Unternehmensseite neben den betrieblichen auch tarifliche Themen aufrufen wollen – von flächendeckenden Entgelteinbußen über Abstriche beim Tarifbonus bis hin zur Zukunft unserer Ausbildung bei Volkswagen. All das haben wir abgewehrt – auch, weil Tarifthemen, wie es sich gehört, in den Tarifrunden behandelt werden müssen. Damit steht nun aber auch fest: Genau dort, am Tarifverhandlungstisch, dürfte die Arbeitgeberseite im Spätsommer ihre Giftliste erneut präsentieren. Umso wichtiger wird es, dass wir als Belegschaft bereit sind, unseren Argumenten Nachdruck zu verleihen: Wir stehen weiter fest zusammen."

Synchron mit der Metall- und Elektroindustrie werden auch die Forderungen zum VW-Haustarifvertrag diskutiert. Die Tarifkommission der IG Metall bei Volkswagen trifft sich am selben Tag, dem 21. Juni, um ihre Forderungen für die Tarifrunde 2024 auf den Weg zu bringen. Bei Volkswagen beginnen die Verhandlungen voraussichtlich im Oktober. Die Friedenspflicht läuft zum 30. November 2024 aus, einen Tag später wären Warnstreiks möglich. Der Haustarifvertrag bei VW gilt für die sechs Standorte der Volkswagen AG (Braunschweig, Emden, Hannover, Kassel, Salzgitter, Wolfsburg) sowie bei den VW-Töchtern Financial Services, Immobilien und der dx. one GmbH.

(Pressemitteilung des IG Metall Bezirks Niedersachsen und Sachsen-Anhalt)

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